|
BEGEGNUNGEN
MIT GOTT
GEDANKEN ZUR KIRCHENARCHITEKTUR DES ABENDLANDES
|
Paderborn: Dom - Innenansicht: Lesepult, Altar,
Chor
3. "Heilige Räume" für die
"Begegnung mit Gott"?
Die Weihnachtsgeschichte und vorstehende Auswahl lassen erkennen,
eine "Begegnung mit Gott" benötigt nicht zwingend einen
"heiligen Raum". Alle Ereignisse fanden "mitten im
Leben" statt.
Haben damit die recht, die behaupten, eine Begegnung mit Gott
bedarf keiner "Kirche"?
Wobei hier unter "Kirche" die Organisation, das Gebäude
oder der Gottesdienst verstanden werden kann.
Zunächst wieder die Bibel:
"Und sie waren täglich und stets
beieinander einmütig im Tempel und brachen das Brot hin und her
in Häusern, nahmen die Speise und lobten Gott mit Freuden und
einfältigem Herzen und hatten Gnade beim ganzen Volk. Der Herr
aber tat hinzu täglich, die da selig wurden, zu der Gemeinde."
Apostelgeschichte 2, 46 - 47
Dieser Satz zeigt: In der ersten Gemeinde gab es einen "heiligen
Raum", den Tempel, in dem man sich (täglich!) zum Gottesdienst
traf.
Anscheinend gleichwertig die "Häuser", in denen Gemeinschaft
stattfand.
Nach Vertreibung und in der Verfolgung waren über einen längeren
Zeitraum die Privathäuser von Christen das Fundament der Gemeinden.
Das lateinische Wort "ecclesia" bezeichnet im ursprünglichen
Sinn die von Gott Berufenen, die Gemeinde. Das spätgriechische
Wort "kyrikon" meint "das zum Herrn ("kyrios")
gehörige" Haus.
[17],
[18]
Beide Grundformen bildeten später die Worte "eclise",
"eglise", oder "Kirche", - die deutsche Bezeichnung
für das Gebäude oder für die Organisation.
Die Tolerierung und spätere Legalisierung der christlichen Religion
durch Konstantin dem Grossen wurde für das noch junge Christentum,
nach einer Zeit schwerer Verfolgungen, eine segensreiche Zeit.
Doch es wurden auch Prozesse eingeleitet, deren negative Auswirkungen
bis in unsere Zeit andauern:
- Die Institutionalisierung der "Kirche".
- Die enge Verbindung zwischen dieser Kirche
mit dem Staat.
- Die Abwendung vom Judentum, bis hin zu dessen
Verfolgung.
- Zunehmende Errichtung "kirchlicher"
Bauten - nach profanen oder sakral-heidnischen Vorbildern.
- Die aus der Antike übernommene Denkrichtung,
nur innerhalb dieser Gebäude und ggfs. mit einer entsprechenden
Liturgie könne eine Begegnung mit Gott stattfinden.
|
Die "Verherrlichung Gottes" in der Architektur
führte damit im Abendland zu immer mächtigeren und prachtvolleren
Kirchenbauten.
Die Identität zwischen diesem Gott Israels und dem Gott des Abendlandes,
diesem Gott der "Kirche" und der herrlichen Kirchenbauten,
ging damit zunehmend verloren.
Corvey: Westwerk
Bestimmten in der Romanik noch die streng geometrischen, aus der Antike
und dem römischen Imperium überlieferten Elemente die Bauten,
schuf die Gotik neue Formen, die der "zum Himmel strebenden Frömmigkeit"
zusätzliche Impulse verliehen.
Strasbourg: Münster © Johannes
Michalowsky [009]
Zwar bemühten sich zum Bespiel Zisterzienser
oder die späteren Reformatoren um schlichtere Bauten, doch die
Gesamtrichtung blieb erhalten.
Paderborn: Abdinghofkirche Innenansicht
Evangelische Kirche romanischen Ursprungs
Das üppige, puttenhafte Gottesbild barocker
Kirchen, zum Teil mit der Symbolik der Antike, entfernte sich weiter
vom Bild des Gottes Israels.
Corvey: Hochaltar, Seitenaltäre
Im Gegensatz zu den Schilderungen der Bibel, fand
die Erfahrung und Anbetung Gottes fast ausschliesslich nur noch innerhalb
der Kirchenmauern, und im Einklang mit dem baulichen Gottesbild statt.
Der Eingang zum "Paradies" war dann die Kirchenpforte.
Paderborn: Dom, Südeingang - "Paradies"
Einen neuen Aufbruch gaben erst die evangelikalen, frei-"kirchlichen",
pietistischen Bewegungen des 18. / 19. Jahrhunderts, wo wieder "Begegnungen
mit Gott" vor der Kirche, unter freiem Himmel, in angemieteten
Sälen möglich waren.
Doch nach der Anfangsbegeisterung kehrte man auch da nach gewisser
Zeit in eine "Kirche" zurück.
Eine andere Orientierung erfuhren die traditionellen
Kirchen. Im grösseren Zeitraum um 1900 fand man mit Neoklassizismus,
mit Neuromanik und Neugotik zu schlichteren Formen zurück. Gleichzeitig
zog aber oft ein nationales Gottesbild in die Kirchen ein.
Berlin: Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskriche alt.
Rückgriff auf romanische Stilelemente, "Nationale Gedächtnisstätte",
In der Rückbesinnung auf die urchristliche Gemeinde vermisste
man in diesem Zeitraum auch die "Häuser". Ein "Gemeinderaum"
war erforderlich, so dass in einer zweigleisigen Form neben der "Begegnung
mit Gott" im Kirchenraum, auch "Begegnung mit Menschen"
möglich war. Die Funktion "Brotbrechen" selbst, als
heilige Handlung, blieb im Gottesdienstraum.
Eine ganz andere Neuordung erfolgte in den Nachkriegsjahrzehnten,
etwa ab der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts:
Neben der inhaltlichen Umgestaltung der Gottesdienste geschah auch
im Kirchenbau ein Aufbruch zu "neuen Formen". Mit der Aufgabe
der frühchristlichen Stile fanden nun die im Profanbau üblichen
Bauformen und Bauelemente Verwendung.
Berlin: Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche
neu.
Die "neue Form" greift auf ein Oktogon, ein Achteck zurück,
wie es bereits in der Frühzeit der Christenheit für Kirchen
Verwendung fand.
Oberasbach: St. Johannes der Täufer
Beton, Glas, Dachkonstruktion wie im profanen Hallenbau
klassische Elemente: Kreuz, Altar, Kanzel z.T. stilisiert
Mit der "neuen" Erkenntnis, dass die Gottesbegegnungen der
Bibel fast immer "mitten im Leben" stattfanden, und unter
dem Motto "Weg vom traditionellen Kirchenbau" erfolgte im
zuletzt genannten Zeitraum zum Teil ein noch weiterer Schritt: Keine
Trennung mehr von Gottesdienst- und Gemeinderaum. "Kirche"
nur noch ein Raum, in dem alle Veranstaltungen vom Gottesdienst, Seniorenkaffee
bis zur Theateraufführung stattfinden konnten.
Die traditionellen Einrichtungsgegenstände: Altar, Kanzel, Bänke,
... wurden beweglich gestaltet, so dass der Raum dem jeweiligen Bedarf
angepasst werden konnte.
Aber so wenig ich meine Besucher im Wohnzimmer und nicht auf der Toilette
empfange, vermisste man sehr bald die "Heiligkeit" des Gottesdienstraumes
und kam wieder zu der Ansicht, dass auch im sakralen Bereich eine
Zweckbestimmung des Raumes erforderlich ist.
Neben dieser erneuten baulichen Neuorientierung entstand auch die
Forderung nach wieder mehr Liturgie.
So stehen wir heute vor der Frage: Welcher Weg ist denn nun?
Vielleicht sollten wir uns mit dieser Frage mehr denn je über
die Zielrichtung unserer "Kirchen" im klaren sein:
Nur eine Begegnung mit dem Haus - wie mit einer Sehenswürdigkeit,
nur eine Begegnung mit Menschen - wie in einem Verein, oder auch eine
"Begegnung mit dem Kind im Stall", - mit Jesus, eine "Begegnung
mit Gott", eine Begegnung mit dem "Heiligen in Israel"?
(Jes. 29, 19; 41, 14; 43, 3)
Zur Orientierung ein Satz aus dem Alten Testament:
"... denn die Herrlichkeit des HERRN erfüllte
das Haus des HERRN ... "
1. Könige 8, 11
|
|
|