PROLOG
& GESCHICHTE
Sich mit dem "Alten Kanal", dem Ludwig-Donau-Main-Kanal,
zu beschäftigen, schliesst für mich fast zwingend einen
Bericht über den "Neuen Kanal", dem Main-Donau-Kanal,
ein.
Das hat auch persönliche Gründe:
Wenn ich von zu Hause den "Alten Kanal" besuche, über
die "Steinere Brücke" hinweg und noch ein paar hundert
Meter weiter, bin ich am Ostkai des Staatshafens Nürnberg.
Wem wundert es, dass ich während der ganzen Bauzeit immer wieder
dort vorbeischaute, wie die Schürflader die Hafenbecken aushoben,
die Kaimauern errichtet wurden, die Schleuse Eibach entstand, ...
Mit meiner Familie machte ich jedes Jahr eine "Kanalfahrt"
nach Kelheim, um zu sehen, wie weit die einzelnen Baustellen gediehen
waren. Als dann die Haltungen fertig wurden, zum Teil noch mit Dämmen
segmentiert, fuhr ich oft mit dem Fahrrad seine Wirtschaftswege entlang.
Bei schönem Sommerwetter, war ich an seinen Ufern, wie viele
Andere auch, beim Baden.
Der "Neue Kanal" zwar für mich nicht der gleiche Freund,
wie der alte, doch auch im Leben habe ich Freunde mit unterschiedlichem
Charakter.
Und so freue mich auch auf jede Begegnung mit dem "Jüngeren".
Vieles ist am "Neuen Kanal" anders:
Die vergleichsweise riesigen Schleusen, mit den Schleusentürmen
in hässlich nackter Betonarchitektur, die Technik der Schleusensteuerung,
das gelegentlich noch fehlende Einwachsen des Verkehrsweges in die
Landschaft, die vielen noch kleinen Bäume, die erst ihr Leben
beginnen, die nicht vorhandene Romantik einer alten, geschichtlichen
Architektur, die Manches anders sah und anpackte. Und vieles Andere...
Doch vieles ist für mich auch identisch:
Der Geruch des Wassers, der Duft der Felder und Wälder, in die
der Kanal hineingebettet ist. Die Ruhe und Weite. Und wenn an manchen
Stellen oft nur ein paar Meter über ihm der Kraftfahrzeugverkehr
mit Hektik über die Autobahn donnert, liegt er in Ruhe und Frieden.
Ich freue mich, das Rauschen der Bugwelle und das Tuckern eines Schiffsdiesels
zu hören, winke manchmal den Schiffsleuten zu, und diese zurück.
Gelegentlich rufen wir uns ein paar Sätze zu.
Und oft ist das Sitzen am Ufer oder am Kai einer Schleuse für
mich ein Stück Kontemplation.
Meine Gedanken gehen zu den Menschen der nächsten Generation:
Wie werden diese den Wasserweg beurteilen? Dann, wenn der Kanal wieder
endgültig in die Landschaft eingewachsen und ganz natürlich
geworden ist, dann wenn die Bäume an seinen Ufern gross und alt
geworden sind, - seine Geschichte erzählen können.
Vielleicht genießt dann der "Neue Kanal" die gleiche
Wertschätzung wie heute der alte.
Ich wünsche es und ich denke, so wird es auch sein.
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Der Traum, mit dem Ludwig-Donau-Main-Kanal eine durchgängige
Verbindung zwischen Donau und Rhein zu schaffen, blieb zunächst
eine Fiktion, da Donau- Kanal- und Mainschiffe, vor allem in ihren
Tiefgang, zu unterschiedlich in ihren Ausprägungen waren.
Pechmann hielt in seinen Plänen zwar den Ausbau des Mains für
zwingend notwendig, doch unterblieben mangels Finanzen die Arbeiten.
So mussten die Frachten für eine Weiterfahrt in Kelheim beziehungsweise
in Bamberg umgeladen werden.
Bereits zur Zeit des Prinzregenten Luitpold wurde darüber diskutiert,
hier Abhilfe zu schaffen. Kurz vor dem ersten Weltkrieg gab es Untersuchungen,
den Ludwigskanal für 200-Tonnen-Schiffe auszubauen, was im Prinzip
einem Neubau gleichgekommen wäre. So verschwand der Plan rasch
wieder in den Schubladen.
Noch während des Krieges lag dann dem bayerischen Landtag 1917
ein Gesetzesantrag zur Sicherung der "Ausarbeitung eines Entwurfs
für die Herstellung einer Großschifffahrtsstraße
zwischen Aschaffenburg und Passau" vor. Die neue Wasserstrasse
sollte auch die 1200-Tonnen-Schiffe des Rheins zulassen.
Als nach dem ersten Weltkrieg in einer neuen politischen Struktur
die Verantwortlichkeit für die Wasserstrassen in die Hände
des Deutschen Reiches überging, gab es allgemein umfangreiche
Überlegungen für den Ausbau der Wasserstrassen des Reiches.
In dieser politisch und wirtschaftlich schwierigen Nachkriegszeit
schlossen - für die Rhein-Donau-Verbindung - im Juni 1921 Bayern
und das Deutsche Reich einen Staatsvertrag "Um den Plan der Main-Donau-Wasserstraße
baldigst zu verwirklichen".
Die Aufgabe für Finanzierung und Bau wurde an eine im Dezember
1921 in München neu gegründete Aktiengesellschaft - die
Rhein-Main-Donau AG delegiert.
Die RMD AG erhielt die Konzession, Main, Donau, Lech, Altmühl
und Regnitz für die Stromerzeugung zu nutzen und den Ertrag für
den Ausbau der Wassserstrasse zu verwenden.
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Durch politische Wirren mit neuen Prioritäten, einschliesslich
des Zweiten Weltkrieges und der schwierigen Wiederaufbauzeit erreichte
der Mainausbau mit dem Bau des Hafens Bamberg erst 1962 die Stadt.
Weitere zehn Jahre vergingen, um das Teilstück Bamberg-Nürnberg
fertig zu stellen. Mit grosser Euphorie wurde dann 1972 der Staatshafen
Nürnberg der Benutzung übergeben.
Umfangreiche Bauarbeiten für die Schleusen und Haltungen der
Südrampe in den bisher beschaulichen Tälern von Sulz, Ottmaring
und Altmühl verbreiteten grosses Entsetzen.
Ideologisch, politsch war damit der Weiterbau des Kanals sehr schnell
in Frage gestellt. Gutachten und Gegengutachten zum Sinn und Unsinn
des Kanals wurden erstellt. Gegner und Befürworter formierten
sich.
Erschwerend kam ein Dammbruch in Katzwang hinzu, der die "Gefährlichkeit
des Kanals" drastisch vor Augen führte. Zunächst waren
nun dadurch erst einmal Überprüfungen und Nachbesserungen
der vorhandenen Bauwerke und Kanalstrecken angesagt.
Nachdem dann die Fertigstellung durchgesetzt wurde, konnte im September
1992 nach 30 Jahren (!) Bauzeit die Strecke Bamberg-Kelheim mit grossen
Festlichkeiten durchgehend eröffnet werden. Während neue
Gegner vor dem Übergewicht der damals noch "Roten Flotte"
warnten, sprachen andere euphorisch vom "Europakanal", der
die damals noch festeren Grenzen quer durch Europa überwinden
könne.
Die Gegnerschaften der vergangenen Jahre hatten den grossen positiven
Effekt, dass der Kanal nicht mehr ausschliesslich als Verkehrsweg
betrachtet, sondern auch das Umfeld in Planung und Ausführung
einbezogen wurde. So flossen nun rund 20% der Baukosten in Ausgleichsmassnahmen
für die Umwelt.
Inzwischen hat sich vieles relativiert: Die Grenzen Europas sind allgemein
offener geworden, die Schiffe ziehen ruhig ihren Weg, das Transportvolumen
ist befriedigend und könnte noch ausgebaut werden, die Natur
hat schon einen grossen Teil der hässlichen Wunden der Baustellen
geschlossen, und an Wochenenden ziehen oft ganze Herden von Radfahrern
umweltbewusst an seinen Wegen entlang.
An Wochentagen ist es ruhiger, - und da geniesse ich dann auch "meinen"
Neuen Kanal.
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