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DENN MEINE AUGEN HABEN DEINEN HEILAND GESEHEN |
Ein Mann
schlappt über das holprige Pflaster der engen Gassen Jerusalems.
Äusserlich alt geworden, ist seine Seele in Hoffnung jung geblieben.
"Simeon," wird er dann und wann gefragt, "Simeon, hör
mal! Du machst den Eindruck, als wenn du dauernd auf etwas warten
würdest?"
"Ja", antwortet Simeon, "ich warte. Ich warte auf den
Trost Israels, ich warte auf den Heiland".
So läuft also Simeon als lebendige Mahnung durch die Strassen
Jerusalems:
"Vergesst nicht die Verheissungen Gottes! - Vergesst nicht die
Verheissungen Gottes!"
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Römische Krippe.
... denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen ...
Bild: Herkunft unbekannt
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"Und
siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit Namen Simeon; und dieser Mann
war fromm und gottesfürchtig und wartete auf den Trost Israels,
und der Heilige Geist war mit ihm. Und ihm war ein Wort zuteil geworden
von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht sehen, er habe denn
zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kam auf Anregen des Geistes
in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesus in den Tempel brachten,
um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach dem Gesetz, da nahm er ihn
auf seine Arme und lobte Gott und sprach: Herr, nun lässt du
deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast; denn meine Augen
haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allen Völkern,
ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes Israel.
"
Lukas 2, 25 - 32
"Und wie kommst denn gerade du dazu",
fragt man ihn, "auf den Heiland zu warten?"
"Ach", meint Simeon, "der Mensch kommt heutzutage
ja überall hin, sogar bis zu den Heiden nach Rom soll man kommen.
Aber ich bin vor nun schon einiger Zeit zu mir gekommen, in mein
eigenes Herz: Da wohnt ganz tief unten die Verzweiflung, die Lebensangst,
die Schuld, die Angst vor dem Versagen, der Neid, das Minderwertigkeitsgefühl,
der Hochmut, der Hunger nach Anerkennung und was sonst noch alles.
Da habe ich auf einmal gewusst, dass ich einen Heiland, einen Erlöser
brauche.
Und die ganzen alten Schriften sprechen ja von ihm.
Bereits Eva meinte, mit ihrem ersten Sohn, den sie "Gewonnen"
nannte, diesen Erlöser gefunden zu haben, aber es wurde der
Brudermörder Kain.
Jakob rief sterbend aus: "HERR, ich warte auf dein Heil!"
Und die Propheten, - immer wieder sahen sie die Ankunft des Messias.
- Kennt ihr denn die Schriften nicht?"
"Nun ja", antwortet man, "das kann schon alles sein,
die Alten haben da von irgendwas geträumt, aber wer sagt denn,
dass das stimmt und gerade du den Heiland sehen wirst?"
Und Simeon: "Seht ihr, das ist so: Aus den Schriften erfahren
wir, dass der Heiland kommt, und durch den Heiligen Geist erfahren
wir, erfahre ich, dass er zu mir kommt.
Der Prophet Jesaja schreibt: "Siehe,
das ist Gottes Lamm, welches der Welt
Sünde trägt".
Und der Heilige Geist sagt: "Siehe,
das ist Gottes Lamm, welches deine Sünde
trägt".
Zu den Hirten sagt der Engel: "...denn
euch ist
heute der Heiland geboren".
Vom Heiligen Geist erfahre ich: "...denn
dir
ist heute der Heiland geboren"
So weiss ich auch, dass ich den Heiland sehen werde."
Die Frage, die Simeon umtrieb, ist heute nicht mehr modern.
Aber unser Textwort kann ja so richtig erschrecken, denn es könnte
ja sein, dass wir den Tod sehen, bevor wir den Christus des Herrn,
diesen Heiland gesehen haben.
Und das muss furchtbar sein, zu sterben, ohne den zu kennen, der
vom Zorn Gottes, von Schuld und Sünde und von der ewigen Verdammnis
errettet.
"Es ist dem Menschen gesetzt, einmal
zu sterben, danach aber das Gericht."
Und das alles ohne Heiland! Ohne Erlöser! Ohne Vergebung der
Sünden! Ohne lebendige Hoffnung!
Selig, wer da mit Simeon sprechen kann: "...nun
lässt du mich in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen
Heiland gesehen!"
TEXT: In Anlehnung an: BUSCH, Wilhelm: 365 MAL
ER, 2. Dezember ff., Schriftenmissionsverlag, Gladbeck 1966
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BILD: REMBRANDT: "Simeons Lobgesang" oder "Simeon mit
dem Christuskind", unvollendet (1669),
Stockholm, Nationalmuseum
Rembrandts letztes Bild, das marginal unvollendet
blieb.
"Rembrandt starb am 4. Oktober 1669. Auf
der Staffelei stand noch ein Bild: Simeon mit dem Christuskind".
Simeon spricht seinen Lobgesang: "Herr, nun lässt du deinen
Diener in Frieden fahren ..."
Kurz zuvor hatte Rembrandt noch die "Heimkehr des verlorenen
Sohnes" gemalt. So wollte er offenbar seinem Tod entgegengehen,
so sich Gott, seinem Vater, ans Herz werfen: Als der müde, heruntergekommene
Sohn des Gleichnisses. Und so wollte er aufgenommen sein: Nicht als
der Heros, der den Himmel erobert, sondern als der arme Mensch, der
nur die Hoffnung hat, er möge für Gott so wertvoll sein,
dass ihn offene Arme und ein offenes Herz drüben empfangen und
dass Freude im Himmel herrscht, über den, der so heimkommt.
Und nun folgt noch der Dank: Der erfüllte Abschied, den Simeon-Rembrand
von dieser Welt nimmt."
Text: Zink, Jörg: Was die Nacht hell macht, Rembrandt malt Weihnachtsgeschichte,
Eschbach/Markgräflerland: Verlag am Eschbach, 1997
Rembrandt drückt so am Ende seines ereignisreichen
Lebens das aus, was auch Simeon bekennen durfte:
"Herr, nun lässt du deinen Diener
in Frieden fahren, wie du gesagt hast;
denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen ... "
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