Neben dem Leben des alten
Ludwig-Donau-Main-Kanals versuchte ich auch hier, mit einer Auswahl
von Bildern das Leben und Sterben der Sulztalbahn darzustellen.
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Plankstetten - Benediktiner-Abteil.
Wenn wir dem Kanal nordwärts folgen, - Nürnberg, Erlangen,
Bamberg und entlang des Mains, - treffen wir wieder auf eine Benediktiner-Abtei:
Münsterschwarzach.
Anselm Grün ist hier Cellerar, der wirtschaftliche Verwalter
des Klosters.
Während ich an dieser Dokumentation arbeite, wird mir ein Büchlein
von ihm geschenkt:
"Vom Zauber des Alltäglichen".
Obwohl in einem evangelischen, freikirchlichen Umfeld verwurzelt,
sprechen mich die Gedanken des in einer katholischen, mönchischen
Tradition stehenden Anselm Grün an.
Ich zitiere aus seiner Einleitung:
"Der hl. Benedikt fordert vom Cellerar,
dem wirtschaftlichen Leiter des Klosters: "Alle Geräte
und den ganzen Besitz des Klosters betrachte er als heiliges Altargerät."
Für Benedikt gibt es keinen Unterschied zwischen profan und
sakral, zwischen einem rein weltlichen Ding und einem heiligen Gerät.
Alles ist von Gottes Geist berührt und durchdrungen. In allem
begegnen wir der Schöpfung Gottes und darin dem Schöpfer.
Daher braucht es Achtsamkeit und Behutsamkeit im Umgang mit den
Dingen. Benedikt schärft das dem Cellerar auch ein im Kapitel
"Vom Werkzeug und Gerät des Klosters." Er soll darauf
achten, dass die Brüder sorgfältig und gewissenhaft mit
den Dingen umgehen. Das ist nicht nur ein Gebot der Sparsamkeit.
Für ihn ist es eine spirituelle Frage. Denn in der Art und
Weise, wie ich mit den Dingen umgehe, zeige ich meine Spiritualität.
Wer sein Werkzeug achtlos oder gar brutal behandelt, der offenbart
damit seine innere Härte und Gefühllosigkeit. Er mag vielleicht
fromme Gedanken äußern, aber seine Spiritualität
ist nur im Kopf, nicht in seinen Händen. Doch nur wenn sie
auch in seinen Händen ist, ist sie echt. Benedikt Spiritualität
ist eine geerdete Spiritualität. Sie formt nicht nur die Erde.
Sie drückt sich auch im Umgang mit der Erde, mit dem Irdischen
aus.
Im frühen Mönchtum hat man alles Tun des Mönches
als priesterliches Tun verstanden. Der Priester ist der Hüter
des Heiligen. Er hat ein Gespür dafür, dass alles, was
wir berühren, heilig ist, Gott gehört. Origines spricht
davon, dass jeder Christ seinen Priesterdienst ausübt auf dem
Altar des Herzens. "Der Altar ist also des Menschen Herz, das
als das Vornehmste im Menschen gilt." und mahnt die Christen:
"Es soll immer Feuer auf dem Altar sein." Feuer ist ein
Bild des Heiligen Geistes, der in der Tradition als Feuer und als
Liebe beschrieben wird. Bei allem, was wir tun, braucht es das Feuer
des Herzens. Wir sollen alles mit ungeteiltem und achtsamem Herzen
tun und mit einem Herzen, in dem das Feuer der Liebe brennt. Dann
wird alles, was wir tun, heiliges Tun sein. Und wir werden in den
Dingen des Alltags das Feuer der Liebe entdecken. Alles, was wir
berühren, wird zu etwas Heiligem, zu etwas, das ein Bild wird
für Gottes Zuwendung zu uns.
Schon Jesus hat Dinge des Alltags als Bild für eine tiefere
Wirklichkeit gesehen. In der Tür sieht er das Bild für
sich selbst. Er ist die wahre Tür. Er schließt uns den
inneren Raum des Herzens auf. Er ist der wahre Weinstock. Im Weinstock
erkennen wir, dass wir in Christus sind und er in uns. Im Wasser
sieht er ein Bild für die Quelle des ewigen Lebens. Er selbst
gibt sich uns als Brot, um uns auf unserem Weg zu stärken.
Für Jesus ist alles Äußere Bild für eine innere
Wirklichkeit. Das Äußere ist voll von Gottes Geist. In
den Meditationen möchte ich diese Sichtweise Jesu und die Spiritualität
des frühen Mönchtums in unseren Alltag hinein konkretisieren.
Vielleicht haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser, mit manchen alltäglichen
Dingen, die ich hier betrachte, Ihre Schwierigkeit. Manches kommt
Ihnen komisch vor. Es ist eine etwas spielerische Weise der Spiritualität,
die hier zum Ausdruck kommt. Ich wünschen Ihnen, dass die Gedanken
Sie anregen, mitten im Alltag Gott zu begegnen, auch in scheinbar
unauffälligen und banalen Dingen, mit denen Sie es zu tun haben."
Die Gedanken Grüns aufgreifend hinterfrage ich jetzt die Dinge,
von denen ich in dieser Dokumentation berichte:
Wie heilig war uns der alte Ludwig-Donau-Main-Kanal, als wir ihn aufließen
und seine Reste zum Teil ganz brutal überbauten?
Wie heilig war uns die Bahnlinie durch das Sulztal, als wir meinten,
die Bahn in einer "neuen Autowelt" nicht mehr zu benötigen
und die Gleise abbauten?
Dachten wir dabei auch an die Menschen, die diese Linie im 19. Jahrhundert
noch mit Hacke uns Schaufel erstellten, an die Menschen, die sich
über die Bahnlinie freuten und ihre Einweihung mit einem Fest
feierten.
Und zuletzt: Wie heilig war uns die Schöpfung Gottes, des Sulztals,
des Ottmaringer Tals, des Altmühltals, als wir mit großen
Maschinen den Graben des Main-Donau-Kanals zogen, die Betonblöcke
der Schleusen in die Landschaft setzten?
Waren erst die Proteste von Umweltschützern notwendig, um zu
erkennen, dass wir hier massiv in Gottes Schöpfung eingreifen.
Waren erst "ökologischen Korrekturmassnahmen" notwendig,
weil uns die Natur von Haus aus nicht so heilig war, dass wir eigentlich
hätten nur mit Ehrfurcht eingreifen dürfen.
Einfach am Schluss diese paar Fragen, mit denen ich aus theoretischen,
theologischen Überlegungen in die Praxis unserer Gegenwart hineinführen
möchte.
Wenn ich die Bilder der Dokumentation ansehe, überkommen mich
manchmal Trauer und Wehmut.
Doch dann überwiegt auch wieder die Freude am "Zauber des
Alltäglichen", die Freude an der Natur, die sich ihren Platz
zurück erobert und Gottes Schöpfung in alter Schönheit
aufleuchten lässt, die Freude an den Schöpfungen von Menschen,
die sich die Erde untertan machen dürfen, - hoffentlich diese
dabei so behandeln "wie heiliges Altargerät"!
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