Immer wieder möchte ich sie erleben, die mir vertrauten Szenen
am alten Kanal, wenn im Frühling die Sonne die Städter
rauslockt und sie die ersten warmen Tage genießen. Ich möchte
die Sommerhitze fühlen, die nur der Fahrtwind auf dem Rad erträglich
macht oder die Schattenseite in den Waldabschnitten. Wenn im Herbst
sich die Bäume biegen im Sturm und die Blätter tanzen
und auf dem Wasser segeln, das ist wieder ein anderes Bild. Der
Winter hat auch seinen Reiz, wenn blankes Eis den Kanal bedeckt
oder wenn der Schnee den Wasserlauf verschwinden lässt.
Jeder Abschnitt ist anders: stadtnah mehr für Spaziergänger,
weiter draußen mehr für die Fuß- und Radwanderer,
und auch die Angler finden noch ruhige Plätzchen. Nach jeder
Schleuse schaut es ein wenig anders aus, hat die Landschaft ein anderes
Gesicht.
Ich habe schon viel erlebt am Kanal. Eigentlich kenne ich ihn von
Gibitzenhof aus nach Südosten. In Richtung Fürth kamen
wir selten. Schon als Fünfjährige lief ich mit meinem
Großvater, seinem Freund und dessen Hund bis Maiach und Hinterhof.
Da gab es dann als Stärkung für den Rückweg ein Seidel
Bier für den Opa und für mich eine Limonade. Mit meiner
Mutter gingen wir sonntags am Kanal spazieren, ordentlich mit Hut
und Mantel und ohne zu hüpfen und zu rennen. Von Zeit zu Zeit
wurden wir mit einem Stückchen Schokolade aufgemuntert.
Im Winter wanderten wir Kinder mit Schnürstiefeln an den Füßen
und den Schlittschuhen in einer Hand zum Kanal. In der anderen Hand
hielten wir den Schlittschuhschlüssel, das Orgele, fest. In
Gibitzenhof starteten wir, zogen vorwärts an der Werdau und
der Gartenstadt entlang bis wir einen wenig befahrenen Abschnitt
fanden. Da legten wir Sprintstrecken an, übten Figuren oder
spielten einfach Fangen.
Einmal habe ich in der Schule gestreikt, weil wir schon seit einem
halben Jahr im Zeichenunterricht nur Naturstudien von Hirtentäscheln
und Preiselbeeren betrieben. Ich durfte dann die Natur draußen
studieren. So nutzte ich die ersten Frühlingstage, griff meinen
Zeichenblock und fuhr mit dem Rad zum Kanal. Mein Ziel war ein Abschnitt
mit viel Wald und ein wenig Kanal, wo er eigentlich nicht mehr künstlich
wirkte, sondern schon in die Landschaft gehörte, fast natürlich.
Mittlerweilen wird er schon als Biotop bezeichnet, das sollte ihn
schützen. Die Abschnitte, auf denen der Frankenschnellweg gebaut
wurde, die sind verloren.
Als ich dann etwa zwanzig Jahre alt war, da betrieb ich Laufen und
Radfahren am Kanal als Ausdauertraining. Ebenso war es mit dem Eislaufen,
solange nicht genug Schnee fürs beliebtere Skifahren in unserer
Gegend lag. Wir starteten in Gibitzenhof und als Ziel peilten wir
Feucht an, je nach Kondition der teilnehmenden Freunde. Die abwechslungsreiche
Tour endete manchmal schon in Worzeldorf oder in Wendelstein, da gab
es ordentliche Einkehrmöglichkeiten.
Und dann hat mich der Bau des neuen Kanals fasziniert und der alte
blieb im Hinterkopf. Ich wohnte auch zu weit entfernt. Als ich dann
wieder in den Süden von Nürnberg zog, nicht gerade an den
alten Kanal, doch erreichbar mit dem Rad, sind Ausflüge wieder
Wirklichkeit geworden.
Anneliese Krause
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