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SCHLEUSE
100
REPORTAGE AUS DEM CLAVIUS GYMNASIUM BAMBERG
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Wir paddeln gemütlich
vom ersten kleinen Vorort Bambergs, dem Ortsteil Bug, Richtung Stadtmitte.
Die Schleuse Bamberg, die die Großschifffahrtsstraße
um acht Meter zum Main hin absenkt, lassen wir rechts liegen und
treiben auf dem alten Ludwig-Donau-Main-Kanal, der dem Flussbett
der Regnitz folgte. Als wir langsam aus dem Schatten der Uferbäume
des Theresienhains auftauchen, empfängt uns die bekannte Silhouette
Bambergs. Zunächst sehen wir linker Hand den Stephansberg,
an dessen Fuße ein breiter, gut befestigter Weg entlangläuft.
Vor hundert Jahren trabten dort Gäule, die die Lastkähne
zur letzten Schleuse des alten Kanals zogen. Prachtvoll schillert
daneben in den vor uns dahin treibenden Fluten das barocke Wasserschloss
des Bamberger Baumeisters Böttcher. Die Concordia wird überragt
von dem Turm der Oberen Pfarre, während die Türme des
Doms und das Fachwerk der alten Mühlen das Bild schließen.
Rechter Hand drängen sich kleine barocke Bürgerhäuser.
Gebannt von diesem Anblick verfehlen wir fast unseren Weg. Etwa
hundert Meter vor der Concordia biegt, eher bescheiden, die alte
Wasserstraße ab. Unscheinbar in ihrer technischen Schlichtheit
verbirgt sich hier die alte Schleuse 100. Sie wurde 1875 erbaut
und stellte das Ende des Ludwig-Donau-Main-Kanals dar, der auf einer
Länge von 170 km Main und Donau verband. Nur mir Mühe
erkennen wir die Zahl 100, die in den Sandstein der rund gemauerten
Einmündung gemeißelt und bereits stark verwittert ist.
Es bedarf nur weniger Ruderschläge, bis wir mit dem Boot in
die Schleuse eingefahren sind und vor dem mächtigen Tor anhalten.
Wir befestigen das Boot an einem der eisernen Kreuzringe und steigen
an der Sprossenleiter aus dem Kanal hinauf. Einer der vielen, mit
Dachziegeln begrenzten Wege führt zum Haus des Schleusenwärters.
Es wurde einst, wie alle Schleusenhäuser von Kelheim bis Bamberg,
von Leo von Klenze im klassizistischen Stil erbaut. Sein flacher
Giebel ist für Franken ungewöhnlich. Auf das Klopfen an
der massiven Holztüre öffnet uns ein rüstiger Pensionär.
Seine Erscheinung verleiht dem "Freilichtmuseum" Originalität.
Er stellt sich uns als Werner Maier vor, einen ehemaligen Wasserwirtschaftsbeamten.
Zusammen gehen wir zur Schleuse, die es zu öffnen gilt. Stolz
macht er uns auf die Blütenpracht seines Gartens aufmerksam
und plaudert auch über seine anderen Hobbys, für die ihm
der Schleusendienst noch genügend Zeit läßt. Bei
der anderen Schleuse angekommen, betrachten wir zusammen mit ihm
die einzelnen Bestandteile. Die eigentliche Schleuse besteht aus
einer Schleusenkammer und zwei Toren. Die Kammer ist zusammen mit
dem Einfahrtsweg ca. 30 Meter lang. Bei der Einmündung aus
der Regnitz ist die Fahrrinne sieben bis acht Meter breit. Diese
Breite vermindert sich in Richtung der Kammer auf knappe fünf
Meter. Die beiden Schleusentore bestehen aus Eichenholz und sind
mit Hilfe eines eisernen Kurbelsystems zu betätigen. Ein Tor
ist je aus zwei einzelnen Hälften zusammengesetzt, die die
Form einer Bugspitze bilden. An allen vier Torhälften sind
unter Wasser Stützer angebracht, die den nötigen Wasserausgleich
regeln. Aus Bug kommend, muß jedes Schiff um die Hubhöhe
von vier Metern abgesenkt werden, um die Fahrt im Nonnengraben fortsetzen
zu können. Während heute nur noch Freizeitsportler und
Polizei die Schleuse durchfahren, hatte sie frühere größere
Bedeutung. Damals benutzen sie vor allem Handels- und Güterschiffe,
weshalb die alte Schleuse 100 ein unverzichtbares Glied in der Reihe
der Schleusen des Ludwig-Donau-Main-Kanals war. Um selbst die Schleuse
passieren zu können, springen wir zurück ins Boot und
paddeln in der Fahrrinne in Richtung Kammer. Inzwischen kurbelt
der Schleusenwärter Werner Maier angestrengt an der Eisenvorrichtung,
um das Tor zu öffnen. Das Tor, das nur einen Spalt - groß
genug für unser Boot - offen ist, durchfahren wir nun und gelangen
somit in die Schleusenkammer. Unmittelbar hinter uns schließt
W. Maier das Tor wieder und läuft hastig zum anderen Schleusentor.
Auf dessen Geländer beginnt er nun, die Stützer nach oben
zu kurbeln. Auf diese Weise erfolgt der Wasseraustausch. Das Wasser
aus der Kammer fließt solange durch die Stützer nach
außen, bis der Wasserstand um die Hubhöhe von vier Metern
abgesenkt wird. Wir sitzen unterdessen in unserem Boot und spüren
das Sinken des Wasserspiegels am Schaukeln unseres Bootes. Durch
die morschen Holztore ist das Rauschen des hinaus fließenden
Wassers deutlich hörbar. Bei tieferem Absinken wird die erkennbare
Fläche der Mauer immer größer. Die Schleusenkammer
ist an ihren Längsseiten von einer Sandsteinmauer abgegrenzt.
In deren Fugen wachsen verschiedene Gräser und Moose. Bei maximaler
Absenkung sind diese äußerst glitschig. Von außen
drückt eine immense Wasserkraft auf das erste Schleusentor,
das aufgrund dieses Drucks knirscht und knarzt. Nun ist die Hubhöhe
von vier Metern vollständig durchschritten und ein ausgeglichener
Wasserstand zum weiteren Flussverlauf hergestellt: Werner Maier
öffnet endlich das Tor, und wir können unsere Fahrt in
Richtung Nonnengraben fortsetzen.
Diese Reportage entstand als gemeinsame Produktion im Herbst 1995
Text: Clavius-Gymnasium
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